Wohnen zu Hause was sagt die NFA dazu?
(Auszüge aus agile Behinderung und Politik, Ausgabe 3/04, Simone Leuenberger, www.agile.ch)
Heutige Möglichkeiten zur Finanzierung persönlicher Assistenz:
Hilflosenentschädigung der IVSpitex-Dienste über die KrankenkassenEigenes Einkommen und VermögenBehinderungs- und Krankheitskosten der ErgänzungsleistungenKantonale LeistungenSpenden
Änderungen mit der NFA:
Individuelle Leistungen der IV, auch der Hilflosenentschädigungen weiter unter der Zuständigkeit des Bundes in Vorbereitung umfassende Assistenzentschädigung im Rahmen eines Pilotprojektes zur 5. IVG Revision, Ausgestaltung zur Zeit noch offen.Pauschale Vergütung der Stundenansätze der Krankenkassen für Spitex-Dienste
aber
Spitex-Organisationen werden nicht mehr vom Bund, sondern von den einzelnen Kantonen subventioniert.Für die Behinderungs- und Krankheitskosten der Ergänzungsleistungen sind neu ausschliesslich die Kantone zuständig.
Positive Auswirkungen der NFA: Wie Behinderte es sich wünschen......
In Artikel 43a, Abs. 5 der Bundesverfassung wird gemäss NFA neu folgender Text aufgenommen: "Staatliche Aufgaben müssen bedarfsgerecht und wirtschaftlich erfüllt werden." Sollte dieser Verfassungsartikel gemäss den Vorstellungen und Bedürfnissen von Behinderten ausgelegt werden könnten sich folgende positive Auswirkungen der NFA ergeben:
Voll Kostenübernahme der Schule und Sonderschule durch die Kantone: Schnell dürfte klar werden, dass die integrative Schulung behinderter Kinder kostengünstiger ist. Die Chancen der Integration in die Arbeitswelt steigen daher. Deshalb übernehmen die Kantone künftig die Assistenzkosten behinderter Kinder, die zu Hause leben und die öffentliche Regelschule besuchen.Die Kantone merken, dass mit entsprechender Assistenz auch Menschen mit einer Behinderung selbstbestimmt in der eigenen Wohnung leben können. Sie nehmen ihren Auftrag aus Artikel 112c, Abs. 1 der BV ernsut, der gemäss NFA neu heisst: "Die Kantone sorgen für die Hilfe und Pflege von Betagten und Behinderten zu Hause".
Weil Spitex-Dienste teurer und für Menschen mit einer Behinderung weniger bedarfsgerecht sind ,setzen die Kantone auf selbstbestimmte Assistenz und finanzieren auch von Menschen mit einer Behinderung selbst angestellte AssistentInnen.
Fazit: Dank NFA erkennt die Gesellschaft, dass Menschen mit einer Behinderung nicht nur Kostenfaktoren sind, sondern einen wertvollen, volkswirtschaftlichen Nutzen erbringen können. Sogar ArbeitgeberInnen schätzen behinderte MitarbeiterInnen, weil sie Ruhe in den Betrieb bringen, pflichtbewusst arbeiten und nicht ständig die Arbeitsstelle wechseln. Der NFA leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Gleichstellung behinderter Menschen.
Negative Auswirkungen: Wie es auch sein könnte.....
Die Kantone vernachlässigen die Sonderschulung von Kindern mit einer Behinderung, da sie die knappen Finanzen für politisch schlagkräftigere Gruppen einsetzen müssen. Die individuelle Förderung ist wegen unzureichender Finanzen in der Regelschule nicht möglich. Behinderte Kinder werden nach dem Motto: "Friss oder stirb" geschult. Wer dem normalen Unterricht nicht folgen kann, wird abgehängt. Vorhandene Fähigkeiten verkümmern mangels individueller Förderung. Eltern müssen weiter für den persönlichen Mehraufwand aufkommen, den eine integrative Schulung gegenüber einer stationären Unterbringung verursacht.Die Ergänzungsleistungen für Behinderungs- und Krankheitskosten, die vielen Behinderten ein Leben ausserhalb einer Institution ermöglichen, werden von den Kantonen ganz unterschiedlich festgesetzt. Dies führt zu einem Sozialtourismus in Kantone mit einigermassen kostendeckenden Leistungen. Dadurch wird der Staatshaushalt überdurchschnittlich stark belastet, was zu Leistungskürzungen führt, was wiederum zu Kantonswechseln mit nun besseren Leistungen animiert: Die Leistungen der Kantone bewegen sich spiralförmig nach unten und werden immer dürftiger.Zusätzlich werden die Spitex-Dienste von den Kantonen unzureichend subventioniert, was zu einem Leistungsabbau führt. Fällt z.B. ein zuverlässiger Nacht-, Morgen- und Abenddienst weg, der für werktätige Behinderte unerlässlich ist, sind sie faktisch von der Dienstleistung ausgeschlossen, bekommen dann aber auch die ihnen zustehenden Krankenkassenleistungen nicht mehr. Selbstbestimmt zu leben ist nur noch für Behinderte mit entsprechendem Einkommen und Vermögen möglich, die übrigen sind von der Wohltätigkeit von Freunden und Verwandten abhängig, die möglichst unentgeltlich arbeiten.
Fazit: Die Behindertenorganisationen müssen sich 26 Mal für dieselbe Gesetzgebung einsetzen, was deren Kräfte übersteigt.
Über 20 Bundesgesetze und zahlreiche kantonale Gesetze müssen in einer 2. Phase revidiert bzw. geschaffen werden. Das Ergebnis ist ungewiss. Erst nach Abschluss der Vernehmlassung zur 2. Phase im Februar 2005 kann man sich ein Bild von den möglichen Auswirkungen machen. Heute steht bereits fest, dass die Gesetzesänderungen der 2. NFA-Phase entscheidend sein wird, ob die NFA zur selbstbestimmten Lebensführung von Menschen mit einer Behinderung zum Durchbruch verhelfen wird.