Steuerbefreiung von der Motorfahrzeugsteuer für Menschen mit Behinderungen

jeder Kanton regelt den Nachteilsausgleich anders

Wir haben uns gefragt, wie die Kantone sich zum Thema Mobilität verhalten. Mit Erstaunen haben wir festgestellt, dass Mobilität zwar für die meisten Bewohner unseres Landes normal ist. Wenn es aber darum geht, Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen zu vermeiden oder beseitigen - so steht es in der Bundesverfassung im Artikel 8, Absatz 4 - dann fehlt es gewaltig an der Umsetzung. Nachfolgend finden Sie eine kleine Auswahl:

Im Kanton Nidwalden sind auf Gesuch hin sämtliche Halterinnen und Halter von Motorfahrzeugen mit Behinderungen von der Verkehrssteuer befreit, wenn sie für die Fortbewegung auf ein solches angewiesen sind. Dies gilt auch für Angehörige, welche diese Transporte ausführen.

Im Kanton Obwalden wird ausserdem die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Gesuchstellers in die Beurteilung einbezogen.

Bei diesen beiden Kantonen wird die Steuer nur teilweise erlassen, wenn das Motorfahrzeug auch für andere Fahrten als für Menschen mit Behinderungen benützt wird.

Ähnlich sieht es im Kanton Luzern aus. Hier wird eine Grenze definiert. Wer CHF 60'000.- oder weniger steuerbares Einkommen hat, wird auf Antrag von der Verkehrssteuer befreit.

Auch von der Verkehrssteuer befreit sind gemeinnützige Organisationen, die ihre Fahrzeuge ausschliesslich für soziale Aufgaben oder im Dienste der Kranken-, Behinderten- oder Betagtenhilfe einsetzen.

Im Kanton Schwyz können nur Fahrzeuge von der Steuer befreit werden, wenn sie für berufliche Zwecke benötigt oder für den Transport von im gleichen Haushalt lebenden "Invaliden" oder "Gehbehinderten" verwendet werden.

Diese kleine Auswahl zeigt, wie unterschiedlich das Thema Behinderung verstanden wird. Behinderung ist keine Frage des Vermögens oder Einkommens. Behinderung bedeutet, dass ein Mensch im Alltag auf eine Umwelt trifft, die ihn aufgrund der physischen, psychischen oder sozialen Beeinträchtigung behindert. Ungefähr jeder fünfte Bewohner der Schweiz ist gesundheitlich so stark beeinträchtigt, dass er oder sie in der Ausübung alltäglicher Aufgaben behindert ist. Als Gesellschaft können wir dies nicht ignorieren.

Erlass der Motorfahrzeugsteuer auch für Menschen mit Autismusspektrum Störungen

man sieht eine Frau am Steuer durch das Seitenfenster eines orangen, kleinen Autos.

Viele ASS-Betroffene erleben im Schutz des Autos eine Abfilterung der Reizüberflutungen

Die Benützung des eigenen Autos ist für unsere Umwelt problematisch. Trotzdem ist es für Menschen mit Autismusspektrum Störungen (ASS) oft die einzige Möglichkeit, eine bezahlte Arbeitsstelle zu haben.

Menschen mit ASS sieht man oft ihre Behinderung nicht an. Dennoch scheitern einige bereits am Arbeitsweg. Oft können sie handicapbedingt für ihren Arbeitsweg oder für ihre allgemeine Mobilität den öffentlichen Verkehr nicht benützen. Am Bahnhof oder im Bus stürmen zu viele Eindrücke auf sie ein, die sie nicht verarbeiten oder verdrängen können. Lärm, Gerüche, Lichtverhältnisse, überfüllte Züge, Veränderungen durch Zugausfälle oder Gleisänderungen sind unüberwindbare Hindernisse für sie. Sie erleben Stress, der überwältigend erlebt wird. Der Stress führt zu einem inneren Zusammenbruch und Rückzug. Menschen mit ASS sind in diesen Situationen nicht mehr ansprechbar. Am Arbeitsplatz angekommen, ist ihre Leistungsfähigkeit stark reduziert bis unmöglich. Sie können sich kaum noch auf ihre Arbeit konzentrieren. Sie versuchen noch lange, das Erlebte zu verarbeiten. Oft kommt es zum Arbeitsabbruch.

Viele Betroffene erleben im Schutz des Autos eine Abfilterung dieser Reizüberflutungen und schaffen es nur so überhaupt an die Arbeitsstelle zu gelangen. Aus diesen Gründen sind Menschen mit ASS auf ihr eigenes Fahrzeug angewiesen.

Erika Spring

Unsere Forderungen

  • Ärzte oder die Ämter, welche die Situation der Antragstellenden Person beurteilen, müssen in diese Formulierung auch Menschen mit ASS als mobilitätsbehindert mit einschliessen.

  • Menschen, die für ihre Fortbewegung aus Gründen der Behinderung auf ein eigenes Fahrzeug angewiesen sind, müssen keine Steuern für ihr Auto bezahlen.

  • Die gleiche Vergünstigung wird gewährt, wenn Familienangehörige oder andere nahestehende Personen ein Motorfahrzeug halten, um Personen mit einer Behinderung zu betreuen.

  • Behinderung ist keine Frage des Vermögens oder Einkommens. Behinderung bedeutet, dass ein Mensch im Alltag auf eine Umwelt trifft, die ihn aufgrund der physischen, psychischen oder sozialen Beeinträchtigung behindert.
    Die Steuerbefreiung ist ein Nachteilsausgleich und soll generell und unabhängig von Einkommen oder Erwerbstätigkeit gelten.

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