Für das Behindertenforum Zentralschweiz spielt der Bereich Mobilität im Luzerner Leitbild eine zentrale Rolle. Mobilität ist die Voraussetzung für die gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Sie ist Voraussetzung für alle der im Leitbild beschriebenen Lebensbereiche. Ohne hindernisfrei zugängliche Transportmittel, hindernisfreie Verkehrsräume, hindernisfreie Zugänge zu Bauten und Anlagen sind Bildung, Berufsbildung, Arbeit, selbständige Freizeitgestaltung, selbständiges Wohnen und Einkaufen nicht möglich. Dies bedeutet, dass die seit vielen Jahren anerkannten Normen für hindernisfreies Bauen (SIA 500) und hindernisfreien Verkehrsraum (VSS 640 075) anerkannt und bedingungslos umgesetzt werden. Dafür ist nicht nur die öffentliche Hand in der Pflicht, nein auch private Bauherren sollten bedenken, dass sie irgendwann älter werden und gerne so lange als möglich in den eigenen vier Wänden leben möchten.
Die Realität sieht im Kanton Luzern anders aus. Hindernisfrei Bauen sei teuer, zu aufwendig, nicht praktisch. Deshalb habe der Kanton Luzern für den Verkehrsraum eigene "Normalien" geschaffen. Dadurch werden zwar Bedürfnisse gewisser Anspruchsgruppen befriedigt, die Schwächsten der Gesellschaft werden jedoch erneut diskriminiert.
Ein leidiges Thema ist die Anpassung des öffentlichen Verkehrs. Hier muss bis 2024 bei allen Haltestellen der selbständige Ein- und Ausstieg aus den Transportmitteln des öV möglich sein. 2018 erhielt auch der Kanton Luzern einen schönen Batzen Geld von der Postauto AG zurückbezahlt. Anstatt dieses Geld in den Umbau von Bushaltestellen zu investieren, floss es in die allgemeine Staatskasse und half, die Überschüsse zu erhöhen oder Defizite zu verkleinern. Dadurch rückt die Umsetzung weiter in die Ferne, Menschen mit Behinderungen – insbesondere solche im Rollstuhl und andere gehbehinderte Menschen – werden an den Haltestellen stehen gelassen.
Noch einmal: Ziel des Leitbilds ist die selbstverständliche Teilnahme von allen Menschen am gesellschaftlichen Leben im Kanton Luzern.
Postautomillionen für Barrierefreiheit
Viele Jahre lang bezahlten Bund und Kantone zu viel Subventionen an die Postauto AG. Nun muss sie 205 Millionen Franken zurückzahlen. Das Netzwerk Enthinderung fordert, dass dieses Geld für barrierefreie Anpassung von Bushaltestellen verwendet wird.
Ab 2024 müssen in der Schweiz sämtliche Bushaltestellen barrierefrei umgebaut sein. Dafür hatten die Kantone und Gemeinden 20 Jahre Zeit. Zwei Drittel dieser Frist ist bereits abgelaufen. Gemäss der Schweizer Fachstelle für Hindernisfreie Architektur sind von den rund 50'000 Bushaltestellen erst ungefähr 1'000 umgebaut und von Personen mit Behinderung autonom benutzbar.
Umbau ist verhältnismässig
Die Erhöhung der Haltekanten kostet im Durchschnitt 13'000 Franken. Somit könnten mit diesen 205 Millionen ungefähr 16'000 Bushaltestellen an die Bedürfnisse älterer Menschen, Eltern mit Kinderwagen, Reisende mit Rollkoffer und Personen mit Rollator oder Rollstuhl angepasst werden. Würden die Kantone nochmals dieselbe Summe aufwenden, kämen sie dem Ziel des Bundesgesetzes über die Beseitigung von Diskriminierungen von Menschen mit Behinderungen BehiG deutlich näher.
Nutzen für die ganze Gesellschaft
Viele Menschen werden heute von der Benützung des öffentlichen Verkehrs ausgeschlossen. Sie müssen ihre Reise oft lange im Voraus anmelden und landen manchmal trotzdem nicht am gewünschten Ziel. Im Hinblick auf eine immer älter werdende Gesellschaft werden im Endeffekt alle von einem hindernisfreien Verkehrsraum Vorteile haben. Durch den niveaugleichen Ein- und Ausstieg aus Bussen und Trams verkürzen sich die Haltezeiten. Die Fahrpläne können besser eingehalten werden, der öffentliche Verkehr gewinnt allgemein an Attraktivität.
Behindertenfahrdienste sind ein Teil des ÖV
Unser Jahresthema ist «Mobilität». Im Info 2019-1 wiesen wir auf die Bedeutung für die Inklusion hin und auf die nötigen Massnahmen im öffentlichen Verkehr.
Wer jedoch aufgrund einer Gehbehinderung die Haltestellen nicht erreichen kann, in überfüllten Bussen als Rollstuhlfahrende keinen sicheren Platz hat, benötigt einen Tür zu Tür Dienst. Dies gilt auch teilweise für Sehbehinderte, wer an Panikattacken in Menschenmengen leidet oder andere kognitive Einschränkungen hat.
Trotz angestrebtem hindernisfreien ÖV wird es immer einen Tür zu Tür Dienst brauchen und dieser muss Teil des ÖV sein.
Im Rahmen des Neuen Finanzausgleichs (NFA) überliess die Invalidenversicherung (IV) 2008 die Beiträge an die Behindertenfahrdienste den Kantonen. Während die meisten grösseren Städte und Kantone bereits vor Jahrzehnten einen funktionierenden Behindertenfahrdienst aufbauen halfen, versäumte dies der Kanton Luzern. So hätten die Fahrtaxen massiv erhöht werden müssen. Die Selbst- und Fachhilfe sowie einzelne Politiker des damaligen Grossen Rates forderten 2006 und 2011 an Kundgebungen und in den Medien ein Budget zum Aufbau eines Behindertenfahrdienstes im Kanton Luzern.
Keine Gleichstellung mit nichtbehinderten ÖV Benutzern
Seit 2012 erhalten Menschen mit Behinderungen (MmB) nach vorausgehender Abklärung durch Pro Infirmis ein Kontingent an Tixitaxibons, welches zu Fahrten mit Rollstuhl-Tixis aber auch mit kommerziellen Taxiunternehmen berechtigen.
Leider kann jedoch auch nach sieben Jahren Laufzeit nicht annähernd von einer Gleichstellung mit Nichtbehinderten ÖV- Fahrgästen die Rede sein. Das monatliche Kontingent von 150 Fr. reicht bei den normalen Taxitarifen (bei Rollstuhl-Tixis höher ) höchstens für 2 - 3 Hin- und Rückfahrten.
Nichtbehinderte können je nach Zone für ein paar hundert Franken pro Jahr so oft und so weit fahren, wie sie wollen. MmB werden an der für sie wichtigen gesellschaftlichen Teilhabe massiv gehindert und mit unverhältnismässigen Kosten belastet.
Dazu kommen organisatorische Mängel: vor allem bei den Rollstuhl-Tixis sind spontane Reservationen, z.B. einen Tag im Voraus, nur erschwert möglich.
Die Auslastung der Tixitaxibons ist wie die Statistik zeigt unterschiedlich. Die einen kommen mit dem Kontingent aus, ein Grossteil hat zu wenig. Es erhalten jedoch alle - ob auf der Landschaft wohnend und mit längeren Fahrstrecken - oder in Stadt oder Agglo - gleichviel Beiträge. Ende Jahr verfallen die10erBons und können auch nicht übertragen werden.
Zur Zeit bekommen ca.700 Luzerner*Innen solche Bons. Aus Spargründen verloren 2016/2017 ca. 260 Personen – ohne Hilflosenentschädigung – die Bezugsberechtigung, obwohl die Anspruchskriterien erfüllt waren.
Ein kleiner Fortschritt ist, dass der Kanton Luzern für das Jahr 2018 das Budget auf 700’000 Fr., für 2019 auf 800'000 Fr erhöht hat. Vorgesehen ist auch eine Schwankungsreserve.
Unsere Mobilität muss bezahlbar sein
Unsere Forderungen für einen funktionierenden und bezahlbaren Behindertenfahrdienst: